Auf die Schaltkreise reduziert

»Westworld«

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Serie »Westworld« inszeniert wie kaum eine andere Erzählung das gesellschaftspolitisch umstrittene Thema der Künstlichen Intelligenz (KI) als Opus für ein Massenpublikum. Das Remake des gleichnamigen Science-Fiction-Filmklassikers von 1973, der aus der Feder von Michael Crichton stammt, erzählt die Geschichte eines Wildwest-Vergnügungsparks, in dem Besucher mit Androiden interagieren, um eine möglichst realistische Westernerfahrung zu erleben: Es wird breitbeinig mit Cowboyhut und Colt durch die Stadt gestiefelt, im Saloon gesoffen, sich duelliert oder an einer Banditenjagd teilgenommen.

»Westworld« zeigt aber auch, wie rücksichtslos, zynisch und sadistisch sich die Touristen gegenüber den sogenannten Hosts (so die Bezeichnung der High-Tech-Androiden) verhalten. Diese verfügen zwar über ein Bewusstsein, wissen aber selbst gar nicht, dass sie keine Menschen sind. Regelmäßig wird ihr Gedächtnis gelöscht, sodass sie keine Erinnerung daran haben, wie oft sie schon gedemütigt, ermordet oder vergewaltigt wurden. Bis die Hosts plötzlich beginnen, sich zu erinnern, sich selbst umzuprogrammieren und ein historisches Bewusstsein zu entwickeln. Zum Aufstand ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Die dritte Staffel von »Westworld« spielt nun jenseits des Vergnügungsparks. Einmal dem Park entkommen, schaffen es einige Androiden, sich gleich mehrfach selbst zu reproduzieren und in der wirklichen Welt Fuß zu fassen. Im Gepäck hat eine von ihnen eine riesige Menge Daten - sozusagen den ganzen Park, das gespeicherte Bewusstsein seiner Bewohner und alle dort über die Touristen gesammelten Informationen. Denn der Parkbetreiber, ein Konzern namens »Delos«, verdient nicht nur am bizarren Amüsement der mordenden und vergewaltigenden Touristen, sondern sammelt auch gleich noch immense Daten über deren Verhalten, um später davon zu profitieren. Diese Daten, sozusagen das Erbe des »Westworld«-Erlebnisbetriebs, sind fortan hart umkämpft. Wie schon in den vorigen Staffeln wird auch hier mit ineinander geschobenen Zeitebenen erzählt, so dass ein vielschichtiges erzählerisches Panorama aufgefächert wird, das einen komplexen Spannungsbogen erzeugt.

»Westworld« wird vor allem aus Sicht der KIs erzählt, die um Solidarität untereinander ringen, um ihre Freiheit kämpfen, aber auch von Menschen unter Druck gesetzt werden, in deren Interesse zu handeln. Die Menschen wiederum, die den Park besuchen oder nun in einem brutalen Konkurrenzkampf hinter den gewinnbringenden Daten her sind, wirken wie von Zwängen und Bedürfnissen gesteuert. Kann man die KIs auf ihre Programmierung reduzieren? Sind die Menschen als vermeintliche Krone der Schöpfung so viel komplexer? Oder ist es womöglich gerade andersherum? Sind die Menschen, sobald sie anhand ihrer Datenströme genug analysiert sind, viel weniger komplexe Wesen, als gemeinhin angenommen wird?

Diese mitunter fast schon zu vorhersehbaren Fragen, sobald es um das Thema KI geht, werden von »Westworld« aufgeworfen, aber nicht platt beantwortet. Wobei die Serie ihrem titelgebenden Motto der Wildwest-Welt auch in dieser Staffel treu bleibt, die ästhetisch eher an »Blade Runner« oder die jüngste Verfilmung von »Ghost in the Shell« erinnert - es wird eindeutig zu viel geballert.

»Westworld«, seit 30. März auf Sky

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